Arbeitsrecht und Corona: Impfplicht am Arbeitsplatz durchsetzen?

Arbeitsrecht und Corona: Impfplicht am Arbeitsplatz durchsetzen?

Corona wirft immer neue Fragen auf. Gerade für Arbeitgeber wird die Rechtslage immer undurchsichtiger. Aktuell ist die Frage der Impflicht im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ein heißes Thema und dabei heftig umstritten. Da eine generelle Impfpflicht bisher von der Bundesregierung nicht geplant ist, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten sich im Zusammenhang mit der Schutzimpfung am Arbeitsplatz bieten – konkret: Kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zur Impfung verpflichten?

Grundsätzlich stellt eine Impfung einen schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Folglich kann eine Impfpflicht im Arbeitsverhältnis weder durch vertragliche Vereinbarung noch auf Basis einer Betriebsvereinbarung durchgesetzt werden. Vielmehr ist eine Schutzimpfung auch zu Pandemiezeiten grundsätzlich erstmal freiwillig. Fraglich ist dabei jedoch, wie dieser Grundsatz mit dem Arbeitsschutz und der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu vereinbaren ist.

Aktuell ist die Frage, inwiefern nach der Impfung eine Ansteckung durch die geimpften Personen verhindert wird, völlig ungeklärt. Folglich nützt eine Impfung gegen den Covid-19-Virus nach derzeitigem Kenntnisstand in erster Linie dem Geimpften, so dass eine Impfung als Arbeitsschutzmaßnahme – hier geht es schließlich in erster Linie um den Schutz aller Arbeitnehmer als Gesamtheit und nicht nur um den Schutz des Einzelnen – im Grunde außer Frage steht. Allerdings spricht das ArbSchG auch die Beschäftigten an. Gemäß § 15 ArbSchG sind diese nämlich verpflichtet in gewissen Grenzen Maßnahmen zur eigenen Sicherheit zu akzeptieren und durchzuführen. Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf etwaige arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen führt dabei grundsätzlich nicht zur Exkulpation des Arbeitgebers in Bezug auf die diesem obliegenden und zu ergreifenden Arbeitsschutzmaßnahmen. Hierbei ist zu bedenken, dass eine Infektion mit dem Corona-Virus einen Arbeitsunfall darstellen kann, wodurch der Unfallversicherungsträger zur Leistung verpflichtet wird. Dieser wird jedoch genau prüfen, ob der Arbeitgeber die ihm obliegenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen vollumfänglich erfüllt hat, und bei einem etwaig festgestellten Verstoß der Arbeitgebers die Leistung verweigern oder zumindest kürzen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es nicht in sämtlichen Arbeitsbereichen in erster Linie auf die Verhinderung der Weiterverbreitung des Virus, gemeint ist damit die Ansteckung anderer Personen, ankommt. Insbesondere im Gesundheitswesen spielt es zum Beispiel eine wesentlichere Rolle, dass sich der jeweils am Patienten eingesetzte Mitarbeiter nicht infiziert.

Dies wirft nunmehr gerade im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vielfach Fragen auf. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten der Arbeitgeber hat, um den ihm obliegenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen ohne die Rechte seiner Arbeitnehmer zu verletzen. Denn etwaige Maßnahmen des Arbeitgebers in Richtung Impfung kollidieren unter anderem mit den Vorschriften der DSGVO, z.B. durch die Aufforderung des Arbeitsgebers Einsicht in den Impfstatus des Arbeitnehmers zu erhalten, sowie unter Umständen auch mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Darüber hinaus ist an eine etwaige Haftung des Arbeitgebers für Impfschäden zu denken, für den Fall dass dieser seinen Mitarbeitern ermöglicht, sich im Betrieb impfen zu lassen.

Aufgrund der Vorschriften der DSGVO kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht per se den Impfstatus seiner Mitarbeiter abfragen, da es sich hier um sehr sensible personenbezogene Daten handelt, die nur unter bestimmten Voraussetzungen verarbeitet werden dürfen. Zwar kann gemäß § 23a IfSG bezüglich der Erfassung die Impfstatus der in Einrichtungen des Gesundheitswesens Beschäftigten eingesehen werden, wenn so die Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten verhindert werden kann. Allerdings funktioniert dies nicht ohne weiteres auch bei anderen Berufsgruppen. Unter Umständen kann jedoch die Erfassung des Impfstatus zulässig sein, wenn dies zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist. Hierbei hat jedoch zwingend eine Abwägung der wechselseitigen Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers im jeweiligen Einzelfall zu erfolgen. Die Interessen des Arbeitgebers werden dabei nur dann überwiegen, wenn sich aus der Risikobewertung ergibt, dass trotz der Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Schutzmaßnahmen ein nicht nur unerhebliches Infektionsrisiko besteht, wie etwa im Bereich des Gesundheitswesens. Zwar spricht die DSGVO von der sogenannten „Einwilligungs“-Möglichkeit des Betroffenen. Allerdings ist hiervon im Arbeitsverhältnis abzuraten, da die Einwilligung zur Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO freiwillig zu erfolgen hat, was im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer durchaus fraglich erscheinen dürfte.

Da es bisher keine Impfpflicht gibt und allein der Arbeitnehmer entscheidet, ob er sich impfen lässt, stellt sich die Frage, ob und wie der Arbeitgeber darauf reagieren kann, wenn ein Arbeitnehmer die Impfung ablehnt. In Betracht kämen hier beispielsweise Versetzung, Anordnung von Homeoffice, Hausverbot oder sogenannte Impfprämien. Eine Versetzung wird jedoch auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz nur dann möglich sein, wenn trotz Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahme ein nicht nur unerhebliches Restinfektionsrisiko besteht und die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz vom Arbeitsvertrag und damit vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nunmehr in der Lage einseitig und ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung den Arbeitnehmer ins Homeoffice zu versetzen. Mit der am 23.04.2021 in Kraft getretenen Novelle des Infektionsschutzgesetzes müssen Beschäftigte künftig im Homeoffice arbeiten, wenn ihnen dies möglich ist. Bisher war lediglich der Arbeitgeber verpflichtet, sofern keine betrieblichen Belange entgegen stehen, seinen Mitarbeitern die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen und anzubieten, konnte jedoch nicht einseitig Homeoffice anordnen. Wer nicht von Zuhause aus arbeiten wollte, musste dies bisher folglich auch nicht. Nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes sind die Beschäftigten jetzt verpflichtet, das arbeitgeberseitige Homeoffice-Angebot anzunehmen, soweit seitens des Arbeitnehmers keine Gründe, wie z.B. räumliche Enge, Störungen durch Dritte, fehlende technische Ausstattung etc., entgegenstehen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer, nach entsprechendem Angebot durch den Arbeitgeber verpflichtet ist, im Homeoffice zu arbeiten. An die entgegenstehenden arbeitnehmerseitigen Gründe werden dabei jedoch keine besonders hohen Anforderungen gestellt. Wer sich folglich nicht impfen lassen möchte oder aber seinem Arbeitgeber diesbezügliche Informationen vorenthält, kann nunmehr einseitig ins Homeoffice versetzt werden, wenn der Arbeitgeber dies aus Arbeitsschutzgesichtspunkten für geboten erachtet. Sofern weder eine Versetzung noch die Arbeit im Homeoffice möglich ist, weil beispielweise kein alternativer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der Mitarbeiter die Arbeit im Homeoffice ablehnt oder das Arbeiten im Homeoffice aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann unter Umständen auch eine personenbedingte Kündigung des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein. Dies wird allerdings nur in Ausnahmefällen der Fall sein, wenn z.B. ein tatsächliches Beschäftigungsverbot, wie etwa bei der Masernimpfung, verhängt wird. Auch die Verhängung von Hausverboten gegenüber nicht geimpften Arbeitnehmern ist aus unserer Sicht nicht ratsam, da sich der Arbeitgeber in diesem Fall im Annahmeverzug der Arbeitsleitung befindet und der Arbeitnehmer folglich seinen Vergütungsanspruch behält. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer seinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber rechtlich durchsetzen.

Auch von der Auslobung einer sogenannten Impfprämie durch den Arbeitgeber als Sonderzahlung  ist abzusehen, da der Arbeitgeber hierdurch mit dem AGG kollidiert und gegen das Maßregelungsverbot verstößt. Schließlich hat der Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen gegenüber seinen Arbeitnehmern den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten und darf einen Arbeitnehmer gemäß § 612 a BGB nicht benachteiligen, wenn dieser sich in zulässigerweise auf seine Rechte beruft, was bei der Verweigerung einer freiwilligen Impfung zweifelsfrei der Fall ist. Sollte der Arbeitgeber dennoch eine Impfprämie ins Leben rufen, wird er gegenüber den benachteiligten Mitarbeitern schadensersatzpflichtig. Das heißt, dass auch diese ohne Impfung einen Anspruch auf die „Impfprämie“ bzw. Sonderzahlung hätten.

Eine Haftung des Arbeitgebers für Impfschäden, für den Fall, dass er dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich im Betrieb impfen zu lassen, besteht mit Sicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Grippeimpfung am Arbeitsplatz nicht, solange der Arbeitgeber die Personen, die die Impfung durchführen ordnungsgemäß auswählt und er eine umfassende und v.a. ordnungsgemäße ärztliche Aufklärung bzgl. etwaiger Risiken sicherstellt.

Nach alledem sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf seine Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Covid-19-Schutzimpfung, anders als bei der Maskenpflicht am Arbeitsplatz, aktuell noch sehr gering. Insbesondere überall dort, wo durch die allgemeinen Hygieneschutzmaßnahme, wie Maskenpflicht und Abstand halten, kein erhebliches Restinfektionsrisiko mehr verbleibt. Etwas anderes gilt natürlich nach wie vor an besonders risikoreichen Arbeitsplätzen, wie etwa im Gesundheitswesen.

Wenn Sie Fragen zu diesem komplexen Thema haben – wir helfen Ihnen gerne! Rechtsanwältin Sarah Nißl ist Ihre Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um das Arbeitsrecht.