Insolvenzrecht: Kein Krisenmodus mehr in der Krise

Insolvenzrecht: Kein Krisenmodus mehr in der Krise

Das Jahr 2023 hat der deutschen Wirtschaft stark zugesetzt. Die schwierigen Rahmenbedingungen spiegeln sich nun auch in der Insolvenzstatistik wider. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts liegt die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2023 über 20 % höher als noch im Vorjahr.

Dieser Anstieg der Insolvenzverfahren hängt natürlich zum einen damit zusammen, dass während und auch noch unmittelbar nach der Corona-Zeit die Insolvenzen deutlich zurückgingen. Zum anderen beobachten wir aber auch, dass die Unternehmen derzeit nicht nur unter den stark gestiegenen Kosten leiden, sondern auch unter einem deutlich vorsichtigeren Ausgabeverhalten von Kunden und Auftraggebern. Dies führt dazu, dass die Liquiditätsreserven der Unternehmen, die teilweise schon durch die Corona-Krise angegriffen wurden, nun nicht mehr ausreichen, um eine durchgehende Zahlungsfähigkeit zu garantieren.

Ein weiterer Faktor, der den Druck auf die Unternehmen aktuell auch noch erhöht ist die Rückkehr zu einem verschärften Überschuldungsbegriff. Die insolvenzrechtliche Überschuldung, geregelt in § 19 InsO, stellt einen der beiden Insolvenzantragsgründe dar. Während die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO allgemein bekannt ist – sie besagt im Wesentlichen, dass eine Insolvenz vorliegt, wenn fällige Verbindlichkeiten nicht mehr pünktlich bezahlt werden können – führt die Überschuldung in der öffentlichen Wahrnehmung eher ein Schattendasein. Leider aber ganz zu Unrecht. Denn nach den Regelungen des Insolvenzrechts ist ein Unternehmen dann überschuldet, wenn die Aktiva – reduziert auf Liquidationswerte – die Verbindlichkeiten – erhöht um Liquidationskosten – nicht mehr decken. Unsere Erfahrungen aus der Beratung von Unternehmen zeigen, dass eine Vielzahl im Grunde gesunder Unternehmen nach diesen Maßstäben überschuldet sind. Diese Überschuldung ist auch solange kein Problem, solange für die jeweilige Gesellschaft eine sogenannte „positive Fortbestehensprognose“ besteht. Eine solche Fortbestehensprognose ist vereinfacht gesagt eine Liquiditätsplanung über einen bestimmten künftigen Zeitraum hinweg. Zeigt diese, dass die Liquidität immer ausreicht, um alle fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, ist sie „positiv“. Zeigt sie das nicht, hat das bilanziell überschuldete Unternehmen ein Problem – denn dann liegt der Insolvenzantragsgrund der Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vor.

 

Eine Hilfe in Krisenzeiten: Das SanInsKG

Diese Fortbestehensprognose stellt Unternehmen und der Geschäftsführer oder Vorstände regelmäßig vor gewisse Herausforderungen – denn wie soll die Liquiditätsentwicklung in der Zukunft vorhergesehen werden. Das Problem dabei ist jedoch: Der Gesetzgeber hat diese Herausforderung gesehen, hält aber dennoch, trotz langjähriger Diskussionen darüber, am Insolvenzgrund Überschuldung in dieser Form fest. Immerhin hatte man aber erkannt, dass in einer Zeit gesamtwirtschaftlicher und weltpolitischer Krisen eine Prognose über einen längeren Zeitraum schlicht unmöglich ist. Und aus diesem Grund hat der Gesetzgeber im sogenannten SanInsKG geregelt, dass in Krisenzeiten der Prognosezeitraum auf vier Monate verkürzt wird. Das bedeutet, dass die Fortbestehensprognose nur für die jeweils nächsten vier Monate eine positive Liquiditätsplanung aufzeigen muss.

Ursprünglich wurde das SanInsKG – damals noch als CovInsAG – zur Anpassung des Insolvenzrechts während der Corona-Pandemie geschaffen. Als diese vorbei war, sollten auch die Sonderregelungen im Insolvenzrecht wieder beseitigt werden. Aber dann kam nahezu nahtlos mit dem Ukraine-Konflikt und der sich daraus ergebenden Energiekrise die nächste schwierige Situation für die Wirtschaft auf. Der Gesetzgeber wandelte sodann kurzerhand das CovInsAG in ein allgemeines Kriseninstrument, benannte es in SanInsKG um und hatte nun die Möglichkeit, die Sonderregelungen zu Insolvenz und Sanierung flexibel einzusetzen.

 

Die Krisen sind zu Ende – zurück zu den allgemeinen Regeln

Mit Wirkung zum 31.12.2023 lief nun aber auch der für die Überwindung der Ukraine-Krise definierte Anwendungszeitraum des SanInsKG aus. Das bedeutet, dass seit dem 01.01.2024 wieder die allgemeinen Regelungen zu Insolvenz und Sanierung greifen. Und damit auch der gesetzlich normierte Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose: 12 Monate. Unternehmen, die nun in Ihrer Bilanz erkennen, dass sie unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten überschuldet sind – oder von ihren Steuerberatern darauf hingewiesen werden – müssen also zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht eine Prognose für die jeweils kommenden 12 Monate aufstellen, in der sie darlegen, dass sie durchgehend zahlungsfähig sind. Dies stellt Geschäftsführer und Vorstände regelmäßig vor gewisse Herausforderungen. Denn selbstverständlich hat die Rechtsprechung und die juristische Kommentarliteratur einige Anforderungen entwickelt, wann Zahlungseingänge zu berücksichtigen sind und wann nicht. Vor diesem Hintergrund ist eine solche Prognose nicht ganz einfach und muss im Regelfall von Experten begleitet werden.

 

Risiko für Geschäftsführer und Vorstände

Aber warum müssen sich Geschäftsführer mit dieser Frage überhaupt beschäftigen? Die Antwort hierauf ist schnell gegeben: Weil Sie sonst haften. Der im Jahr 2021 neu geschaffene § 1 StaRUG enthält nun ausdrücklich die Anweisung an die Geschäftsführung, fortlaufend das Vorliegen von Insolvenzantragsgründen zu überwachen – etwas wozu wir Geschäftsführern und Vorständen auch schon vor der gesetzlichen Normierung geraten haben. Verstößt der Geschäftsführer gegen diese allgemeine Handlungspflicht, haftet er persönlich für Schäden und Schmälerungen einer späteren Insolvenzmasse. Daneben begibt er sich aber auch in die Gefahr einer strafrechtlichen Haftung nach § 15a InsO, nämlich dann, wenn er den Insolvenzantrag zu spät stellt und damit eine Insolvenzverschleppung begeht.

Und hiermit kommen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück: wenn der Geschäftsführer eines bilanziell überschuldeten Unternehmens aktuell keine positive Fortbestehensprognose darstellen kann, dann ist er bereits jetzt insolvent und nicht erst, wenn ihm vielleicht in sechs Monaten das Geld ausgeht. Stellt er den Antrag dann erst in sechs Monaten liegt eine Insolvenzverschleppung vor und er macht sich strafbar und haftet für die eingetretenen Schäden.

 

In Zeiten anhaltender Wirtschaftskrisen wird auch das Thema Insolvenz weiterhin große Bedeutung haben. Gehen Sie keine Risiken ein, lassen Sie sich helfen!