Pflicht zum Insolvenzantrag ausgesetzt? Ja – Nein – Vielleicht?
Aktuell geistert durch alle Medien die Behauptung, die Insolvenzantragspflicht sei ausgesetzt. Aber stimmt das denn? Wie so oft, lässt sich diese Frage nicht einfach beantworten.
Fakt ist, dass die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO immer besteht. Diese wurde zum 01.01.2021 neu geregelt und lautet jetzt:
- 1. nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
- 2. nicht richtig stellt.
Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber dann Regelungen getroffen zur teilweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Bis 30.09.2020 war die Antragspflicht tatsächlich vollständig ausgesetzt. Seither gelten abgeschwächte Regelungen, die vor allem auf die direkte Betroffenheit von Corona und den damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen abstellen. Aktuell gilt für den Zeitraum 01.01.2021 bis 30.04.2021 folgende Regelung des § 1 Abs. 3 CovInsAG:
Vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Maßgabe des Absatzes 1 für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt Satz 1 auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Aussetzungsregelung sind also:
- Antrag auf Corona-Hilfe wurde gestellt
- Der Antrag auf Corona-Hilfe ist nicht von vornherein aussichtslos
- Die beantragte Corona-Hilfe reicht aus, um die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu beseitigen
Damit gehen Unternehmer, die sich auf diese Sonderregelung beziehen wollen, ein enormes Risiko ein. Meinen sie, unter die Sonderregelung zu fallen obwohl das tatsächlich nicht so ist und führen sie die Geschäfte trotzdem ohne Insolvenzantrag weiter, dann:
- begehen die Geschäftsführer eine strafbare Insolvenzverschleppung
- haften die Geschäftsführer für sämtliche geleistete Zahlungen mit dem Privatvermögen (§ 15b InsO).
Wenn sie sicher gehen wollen, keine Insolvenzverschleppung zu begehen, dann müssen sie dokumentieren, warum sie berechtigte Hoffnung auf die Corona-Hilfen haben und warum bei Zahlung der Corona-Hilfen keine Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit mehr vorliegt. Dies kann nur mit professioneller Beratung und Dokumentation gelingen.
Im Übrigen gelten trotz Aussetzung die weiteren Begleitregelungen fort:
- Haftung des Geschäftsführers für nicht abgeführte Lohnsteuer
- Haftung des Geschäftsführers für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge
- Haftung des Geschäftsführers bei Fällen des Eingehungsbetrugs (ich bestelle etwas, obwohl ich weiß, dass ich es wohl nicht zahlen können werde).
Alles in allem gehen also Unternehmer, die sich darauf berufen wollen, dass die Insolvenzantragspflicht für sie im konkreten Fall nicht gilt, ein extrem hohes Haftungsrisiko ein. Wir empfehlen dringend, in allen Fällen, in denen eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung denkbar ist, professionellen Rat einzuholen und die aktuelle Situation sowie die Planungen für die kommenden Monate sehr genau zu dokumentieren.