BGH: Auf falsche Spendenbescheinigung folgt Insolvenz – Auch Partei-Verbände sind insolvenzfähig

BGH: Auf falsche Spendenbescheinigung folgt Insolvenz – Auch Partei-Verbände sind insolvenzfähig

Am 17.12.2020 entschied der Bundesgerichtshof, dass ein als nicht eingetragener Verein organisierter Gebietsverband einer politischen Partei nach § 11 InsO insolvenzfähig ist. Damit können sowohl öffentliche als auch nicht öffentliche Gläubiger gegen eine politische Partei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen und durchführen, sofern an dessen Durchführung ein rechtliches Interesse besteht.

Hintergrund der Entscheidung des BGH ist folgender Sachverhalt: Der Landesverband einer Partei stellte Spendenbescheinigungen für Parteimitglieder aus, welche das Finanzamt für unrichtig hielt. Das Finanzamt erließ daraufhin wegen der entgangenen Einkommenssteuer Haftungsbescheide gegen den Landesverband der Partei. Der Verband sollte für die durch die ungültigen Spendenquittungen entgangene Einkommenssteuer nach § 10 Abs. 4 EStG aufkommen. Nachdem keine Zahlungen auf die Haftungsbescheide erfolgten und auch Vollstreckungsversuche des Landes erfolglos blieben, beantragte das Land die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und erwirkte die Bestellung eines Insolvenzverwalters.

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hob das Landgericht Mainz den Eröffnungsbeschluss auf und wies den Insolvenzantrag ab. Der Verband stützte sich in seiner Begründung insbesondere darauf, dass die Gewährleistungen aus Art. 21 GG der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegenstehe und zudem auch im Übrigen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen zugunsten der Partei widerspreche, da stark in die Rechte der Partei eingegriffen wird. Zudem stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Auffassung der Partei eine Möglichkeit dar, um unliebsame Parteien loszuwerden. Das Finanzamt als einzige Gläubigerin erhob daraufhin Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.

 

Insolvenzfähigkeit der politischen Parteien

Der Bundesgerichtshof entschied, dass politische Parteien nach § 11 InsO insolvenzfähig sind. Dem steht weder der Status als verfassungsrechtlich geschützte Partei noch das Recht frei über das Vermögen zu verfügen, entgegen.

Zwar wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch die damit einhergehende Übertragung der Verfügungsbefugnis über das Vermögen auf einen Insolvenzverwalter, in die geschützten Freiheiten einer Partei eingegriffen. Allerdings sind Beschränkungen des Art. 21 Abs. 1 GG an den verfassungsimmanenten Schranken zu bemessen und mit den widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Insbesondere ist nach Auffassung des Gerichts ein angemessener Ausgleich mit dem staatlich gewährleisteten Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG zu erreichen.

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist ein solcher Ausgleich nicht durch den Ausschluss der Insolvenzfähigkeit politischer Parteien zu erreichen. Anderenfalls würde man nicht nur den Gläubigern die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in Vollstreckungsverfahren nehmen. Auch die Parteien selbst könnten sonst keinen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Das heißt, dass auch die Parteien ihre Verbindlichkeiten nicht in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren unter gleichmäßiger Gläubigerbeteiligung bereinigen könnten.

Besonders hervorgehoben hat der Bundesgerichtshof, dass die Annahme der Insolvenzfähigkeit von Parteien nicht das Ziel verfolgt, missliebige Parteien durch ein Insolvenzverfahren loszuwerden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht automatisch zu einer Auflösung der Partei. Eine Insolvenz hat eine Auflösung nur dann zur Folge, wenn die Satzung dies für den Fall der Insolvenz bestimmt. Überdies kann selbst nach der Verfahrenseröffnung eine Satzungsänderung bewirken, als nicht rechtsfähiger Verein fortzubestehen. Mit der Erstreckung dieser Regelungen auch auf nicht eingetragene Vereine steht die Auflösung zur Disposition der Parteien. Damit ist dem Missbrauch von Insolvenzanträgen eine hinreichende Schranke gesetzt.

Damit wird durch die Durchsetzung des Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG weder unverhältnismäßig in die Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG eingegriffen, noch wird dadurch die Parteienvielfalt beliebig gefährdet.

 

Fehlendes rechtliches Interesse an Insolvenzeröffnung

Allerdings hat ein öffentlicher Gläubiger kein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber einer Partei, wenn er der einzige Gläubiger sei, die Gefahr des Auflaufens weiterer Forderungen des Gläubigers nicht bestehe und der Gebietsverband nicht wirtschaftlich tätig sei. In einem solchen Fall besteht kein Interesse daran, den Schuldner an einer weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit zu hindern um Klarheit über seine Zahlungsfähigkeit zu erlangen.