Steuerhinterziehung und Betrug – geht nicht, oder doch?

Steuerhinterziehung und Betrug – geht nicht, oder doch?

Grundsätzlich schließen sich ein Betrug und eine Steuerhinterziehung gegenseitig aus. Entweder Betrug oder Steuerhinterziehung war bisher die Marschrichtung des Bundesgerichtshofs. Grund hierfür ist, dass § 370 AO exklusiv für alle Ansprüche und Vermögenswerte gilt, die sich aus den Steuergesetzen ergeben oder über den Weg des Steuerverfahrens angegriffen werden. Es gilt insoweit die Exklusivität, dass derartige Taten nur als Steuerhinterziehung verfolgt werden.

Dies durchbricht nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main | Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen am Main mit dem Beschluss vom 09.03.2020, Az.: 2 Ws 132/20, im sog. Cum/Ex-Verfahren. Das Oberlandesgericht nahm an, dass neben einem banden- und gewerbsmäßigen Betrug auch eine Steuerhinterziehung verwirklicht worden sein soll. Im Beschluss heißt es dazu:

„Es bestehe der dringende Tatverdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie der Steuerhinterziehung. Der Senat hat das sog. Cum-/Ex-System dahingehend zusammengefasst, dass in einem ersten Schritt „als Vorbereitung für den von Anfang an geplanten Betrug durch Kombination von im Einzelnen zulässigen Finanzinstrumenten ein tatsächlich existierender Aktienbestand quasi gespiegelt“ worden sei. Dies sei geschehen, „um scheinbar einbehaltene und damit vermeintlich gezahlte Steuern auf Dividenden vorzutäuschen, mit dem Ziel, darüber eine zweite, tatsächlich unberechtigte Steuerbescheinigung zu erhalten“. In einem zweiten Schritt seien dann „unter Vorlage dieser zweiten insoweit inhaltlich falschen Steuerbescheinigung unter missbräuchlicher Ausnutzung des formalisierten Steuersystems die Finanzbehörden irrtumsbedingt zur Auszahlung der tatsächlich vorher nicht einbehaltenen Steuern zum Nachteil des deutschen Steuerzahlers veranlasst“ worden. Alleiniges Ziel sei es dabei von Anfang an gewesen, „dieses System solange als möglich zu betreiben und dabei so viel wie möglich unberechtigte Steuerzahlungen für die Bande zu erhalten“. Zur Durchführung habe es einer größeren Anzahl von Personen bedurft, „die in einem bestimmten Zeitfenster miteinander verzahnt nach einer vorherigen Absprache konkret aufeinander abgestimmte Finanztransaktionen durchführen“. Die erlangten Gelder in Höhe von 113 Mio. € seien nach einer bestimmten, vorher vereinbarten Quote unter den Mitgliedern des vom Senat als Bande gewerteten Zusammenschlusses mit weiteren fünf Angeklagten und einem verstorbenen Mitglied aufgeteilt worden.“

Dies widerspricht eklatant gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie der einhelligen Literaturmeinung zum Verhältnis zwischen Betrug und Steuerhinterziehung. Es bleibt abzuwarten, welche Entwicklung dieser Vorstoß des OLG Frankfurt am Main mit sich bringt.