Update Baurecht: BGH zur Beweisführung im Bauprozess
Der BGH hat sich mit seinem Urteil vom 07.02.2019 (Az. VII ZR 274/17) mit der Frage der Beweisführung und der Beweispflichten im Bauprozess beschäftigt. Das Ergebnis lautet zusammengefasst: Das Gericht muss alle zulässigen Beweismöglichkeiten ausschöpfen!
Im konkreten Fall hatte der Kläger den Beklagten mit der Abdichtung eines Terrassenteils seines Wohnhauses beauftragt. Nach Zahlung der Schlussrechnung zeigte sich ca. 1 Jahr später an den, an die Terrasse angrenzenden Hauswänden Feuchtigkeit. Der Beklagte lehnte eine Mangelbeseitigung ab.
Durch ein in erster Instanz eingeholtes Sachverständigengutachten konnte ein Mangel des Werks des Beklagten nicht bewiesen werden. Insbesondere blieb unklar, ob die Ursache der Feuchtigkeit aus der Sphäre des Klägers oder des Beklagten stammt. Um Letzteres festzustellen, hätte der Terrassenaufbau teilweise abgetragen werden müssen. Eine dahingehende Veranlassung wurde vom Kläger allerdings verweigert. Nach Ansicht des Berufungsgerichts habe der Kläger durch seine Weigerungshaltung die Fortsetzung der Beweisaufnahme unmöglich gemacht. Daher sei er als beweisbelastete Partei auch beweisfällig geblieben, sodass die von ihm geltend gemachten Ansprüche zu verneinen gewesen seien.
Dem hat der BGH in seiner Entscheidung vom 07.02.2019 ausdrücklich widersprochen:
Nach Ansicht des BGH darf ein Gericht grundsätzlich eine beweisbelastete Partei nicht allein wegen einer, nach Nichtzahlung eines Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) oder nach Versäumung einer Ausschlussfrist (§ 356 ZPO), fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig ansehen. Stattdessen muss es versuchen, vor Erlass einer Entscheidung die beweiserhebliche Frage zunächst auf andere Weise zu klären (zum Beispiel auf Basis des bereits vorhandenen oder gegebenenfalls noch anzuregenden Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel). Dies gilt auch dann, wenn (wie hier) die Beweisaufnahme durch Sachverständigenbegutachtung aus einem anderen Grund, welcher aus der Sphäre des Beweisbelasteten stammt, ganz oder teilweise unterbleiben muss. Somit wäre im vorliegenden Fall die Beweisfrage auf andere Weise anhand der verfügbaren Beweismittel zu klären gewesen. Es hätte also die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer Undichtigkeit und deren Ursache veranlasst werden müssen. Der Sachverständige wäre hierbei dazu anzuweisen gewesen, die Fragen ohne Freilegung der Abdichtung zu beantworten.
Denn, wie der BGH festgestellt hat, ergab sich aus dem Schreiben des Sachverständigen gerade nicht, dass dieser zur Fortführung der Begutachtung die Freilegung der Abdichtung für erforderlich und für allein zielführend erachtet habe.
Fazit:
Soweit im Rahmen einer Begutachtung durch einen Sachverständigen die beweisbelastete Partei sich der Bauteilöffnung verweigert, führt dies allein noch nicht zur Beweisfälligkeit. Letztere tritt vielmehr nur und erst dann ein, wenn keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen oder sämtliche zulässigen Beweismittel ausgeschöpft wurden, mithin also auch eine Begutachtung ohne Bauteilöffnung keinen Erfolg verspricht.
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, im Bauprozess kompetent durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu sein!